Solarifahri

Zu einem der ersten Projekte zählte eine solar betriebene Musikanlage, das SolarSoundSystem, das seit der Fertigstellung auf zahlreichen Veranstaltungen zum Einsatz kommt. Auf Umwelt-Festivals, Straßenfesten sowie vor allem auf dem Campus in Schöneweide werden viele Menschen unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Interessen für die Solarenergie begeistert. Bei den externen Veranstaltungen, die überwiegend in Berlin stattfinden, hat sich jedoch der Transport zum Veranstaltungsort oft als größte Schwierigkeit erwiesen. Außer bei den Veranstaltungen direkt an der Hochschule in der Wilhelminenhofstraße musste stets ein geeignetes Transportmittel gefunden werden. Dies stellt aus vielerlei Hinsicht keine optimale Lösung im Sinne des Vereins dar. So musste zum Transport meistens ein kleiner Transporter gemietet werden. Die Kosten mussten entweder auf die Veranstalter umgelegt werden oder wurden vom einleuchtend e.V. übernommen. Auch mussten Aktivitäten des SolarSoundSystems immer lange im Voraus geplant werden, um sicher zu stellen, dass es ein geeignetes Fahrzeug und einen Fahrer gab. Vor allem
aber wurde das SoundSystem, dass für die Erneuerbaren Energien steht, mit konventionellem Kraftstoff transportiert werden.
Im Jahr 2012 wurde von mehreren Vereinsmitgliedern durch Up- und Recycling mit dem Bau eines eigenen Transportmittels im Betahaus (Kreuzberg) begonnen. Dieses Lastenfahrrad konnte in den Werkstätten des Funkhaus Grünau gegen Ende 2012 fertig gestellt werden.

Erste erfolgreiche Testfahrten zeigten, dass das SolarSoundSystem und andere Gegenstände sicher transportiert werden können. Jedoch machen sich die 250 kg Zuladung deutlich bemerkbar, sodass die Idee einer nachträglichen Elektrifizierung aufkam. Damit wir auch weiterhin vom Netzstrom unabhängig bleiben können, soll die Stromversorgung der Batterien, passend zum SolarSoundSystem, über Photovoltaikmodule erfolgen. So steht einer nachhaltigen Mobilität in Kombination mit einer dezentralen regenerativen Stromversorgung nichts mehr im Wege.

Mit dem Projekt wollen wir …
  • den Einsatz des SoundSystems effektiver und ökologischer machen
  • nicht mehr auf das Mieten eines Transporters angewiesen sein
  • die Öffentlichkeit für die Wichtigkeit eines ökologischen Nahverkehrs
  • sowie einer nachhaltigen Elektromobilität sensibilisieren
  • Interessierten die Funktionsfähigkeit und Leistungsfähigkeit solarer Inselsysteme erörtern
  • Die Leistungsfähigkeit und Vielseitigkeit von Lastenrädern unter Beweis stellen
  • Studierende zur Umsetzung weiterer nachhaltiger Projekte motivieren.[/spoiler]

Verwirklichung

Durch das erfolgreich abgeschlossene Projekt in Kooperation mit der Firma Moghul Rikscha Berlin wurde bereits Erfahrung in der Auslegung und dem Bau eines Antriebsystems gesammelt. Die Planung bestand dementsprechend in der Anpassung der Komponenten. Es hat sich herausgestellt, dass zum Antrieb des Lastenrades ein hochwertiger 250 W Motor nötig ist. Dieser wird mit einer Spannung von 36 V betrieben, um die Kabel möglichst klein zu dimensionieren bei gleichzeitig vertretbarem Spannungsabfall.

Die Energie wird durch einen selbst konfektionierten Lithium-Eisenphosphat- Akku (LiFePo4) bereitgestellt, der aus 12 Zellen à 20 Ah besteht. Das System besitzt also eine Nennladung von 240 Ah. Die Betriebsspannung der Zellen liegt bei 3,0 V. Damit ergibt sich eine Nennkapazität von 720 Wh (P=U*I; Watt=Volt*Ampere) oder 0,72 kWh. Anstelle eines fertigen Batterie-Systems wurden die Zellen einzeln bestellt und in Eigenregie verkabelt.

Eine große Herausforderung an das System ist es, die vorhandenen Akkuzellen möglichst sicher, stabil und platzsparend im vorhandenen Lastenrad zu verstauen. Es kam die Idee auf, eine lackierte Holzkiste zu fertigen, in der auch alle  wichtigen elektrischen Komponenten integriert und vor Umwelteinflüssen geschützt sind. Es finden neben den zwölf 36 V Zellen sogar der Laderegler und das Batterie Management System (BMS) Platz.
Der Solar-Laderegler versorgt das System mit Sonnenstrom aus den Solarmodulen. Das BMS, auch Balancer genannt, sorgt dafür, dass alle Zellen gleichmäßig be- und entladen werden.  Diese Elektronik ist bei der Verwendung von mehreren Lithium-Akkus notwendig, da durch ungleichmäßige Ladungsverteilung die Lebensdauer der Zellen extrem sinkt. Eine weitere wichtige Komponente des Antriebsystems ist das Steuergerät, im englischen Controller genannt. Mit ihm wird der Motor angesteuert. Er stellt sicher, dass die Leistung nur gegeben wird, wenn man in die Pedale tritt. Das Steuersignal kommt von einem Umdrehungssensor, der im Ritzel an der rechten Pedale angebracht ist. Über das Bedienelement am Lenker
wird das System aktiviert und der Ladungsstand der Akkus überwacht. So können alle Vorgaben eingehalten werden, die die StVO hinsichtlich elektrisch unterstützter Fahrräder macht.
Bei der Befestigung der Solarmodule müssen die verschieden
„Betriebszustände“ des Lastenfahrrades berücksichtigt werden. Es sind prinzipiell mindestens drei Szenarien möglich:

  1. Transport des SolarSoundSystems im abgebauten Zustand mit geschlossenem Deckel
  2. Beladung des aufgebauten SolarSoundSystems
  3. Fahrt ohne SolarSoundSystem: Transport von anderen Lasten oder Akkuladen (Sonnenbetankung)

Im ersten Fall sind die beiden parallel verschalteten 55 W Solarmodule mit Klettstreifen sicher auf dem Deckel befestigt. Während der Fahrt produzieren sie so direkt Gleichstrom, der die Akkus lädt und somit die Reichweite verlängert. Die Klett-Befestigung ermöglicht es außerdem, die Module vor der Aufstellung des Systems schnell und einfach abzunehmen ohne den wasserfesten Deckel anzubohren.

Auf Veranstaltungen wird das SolarSoundSystem häufig direkt auf dem Lastenrad aufgebaut. Dies erspart uns das Ab- und Aufladen über die Heckrampen und ermöglicht das leichtere Umstellen auf unebenem Gelände wie Sand oder Rasen. Um trotzdem das Sonnenlicht für den Elektroantrieb einzufangen kann entweder der abgenommene Deckel aufgeständert oder die Solarmodule an einer Halterung an der Seite befestigt werden. Die Befestigungsvorrichtung sitzt über dem Fahrer an den Aluminiumprofilen für das große Solarmodul.
Im Falle einer Fahrt ohne das SoundSystem soll es dennoch möglich sein, die Solarmodule mitzuführen. Sie werden sicher an der Seite der Ladefläche verstaut und können bei Bedarf und Sonnenschein angeschlossen werden. Auf Grund der fehlenden Befestigungsmöglichkeiten kommt aus heutiger Sicht ein Solarbetrieb unterwegs nicht in Frage. Dies würde die Ladefläche merklich verkleinern und die Gefahr von Beschädigungen erhöhen. Die Funktionsfähigkeit aller Komponenten im System konnte in einer ersten Testfahrt nachgewiesen werden. Große Zweifel kamen jedoch bei der Stabilität des Elektromotors auf. Die Gabel ist das am stärksten belastete Bauteil des Fahrrads. Die bisher verwendete Gabel ist jedoch nur auf die gewöhnliche Belastung einer Person und nicht für die enorme Zuladung des Lastenrades ausgelegt. Mit dem Nabenmotor kommt eine weitere Belastung hinzu, da sie das Drehmoment des Motors abnehmen muss. Die einfache Lösung ist der Erwerb einer im Handel erhältlichen Gabel aus Vollmaterial. Auf Grund der hohen Kosten für derartige Neuware haben wir, wie so oft in diesem Projekt, auf den Eigenbau gesetzt. So wurde aus Altmetall und Erfindergeist ein günstiges und zum Fahrrad passendes Unterstützungsgestell für die Vorderradgabel gefertigt.

Zukunftsperspektiven des Projektes

Durch die Verwendung hochwertiger Komponenten soll SolariFahri langfristig für den Transport von großen Ladungen genutzt werden. Durch den regelmäßigen Einsatz des auffälligen Lastenrads im öffentlichen Raum und die Energiebereitstellung durch Photovoltaik wird ein hoher Werbeeffekt für die Leistungsfähigkeit Regenerativer Energien erzielt. Auf verschiedenen Veranstaltungen, zu denen wir besonders in den Sommermonaten eingeladen werden oder die wir selber organisieren, können wir unsere Mitmenschen nicht nur mit solar betriebener Musik beschallen, sondern auch die Funktionsweise von zwei selbst entworfenen regenerativen Inselanlagen näher bringen. Es ist möglich, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Systeme praktisch zu erläutern. Durch die elektrische Tretunterstützung können nun auch größere Entfernungen problemlos zurückgelegt werden. Damit erhöht sich der Radius für Aktivitäten unserer Vereinsmitglieder. Die berechnete Reichweite bei voller Ladung und ohne Unterstützung durch Solarenergie liegt bei ca. 40 km. Bei Sonne erhöht sich die Reichweite nochmal um einige Kilometer.
In den nächsten Monaten werden daher umfassende Testfahrten durchgeführt um alle relevanten elektrischen Kennwerte zu messen. Zusätzlich wird ein Fahrtenbuch geschrieben, um die berechnete Reichweite zu validieren. Ebenfalls von großem Interesse ist die Leistungsfähigkeit der Photovoltaik-Module. Hierbei wird die produzierte Energiemenge gemessen, die während der Fahrt und der Standzeiten des Lastenrades nachgeladen wird. Darüber hinaus wird durch Labormessmethoden untersucht, inwieweit die dynamischen mechanischen Belastungen den Silizium-Zellen Schäden in Form von Mikrorissen zuführen. Es ist angedacht, unser SolariFahri und die erhobenen Messwerte in die Forschung und Lehre an der HTW Berlin einzugliedern und allen Interessierten zugänglich zu machen.